Eine Stunde pietätvollen Gedenkens und frohen Neubeginns hat uns heute hier in der Kunst- und Wunderkammer des Dommuseums vereint. Am 27. November 2004 hat Erzbischof Dr. Alois Kothgasser den Kardinal-König-Kunst-Fonds der Erzdiözese Salzburg als juristische Person errichtet. Ich begrüße Sie alle herzlich, die Sie gekommen sind, um der ersten Preisverleihung, die in der Folge nun alle zwei Jahre stattfinden soll, beizuwohnen.
Pietätvolles Gedenken, denn heute vor 100 Jahren erblickte Franz Kardinal König das Licht der Welt. In seinem langen, reich erfüllten Leben bewegte er den Dialog der Weltreligionen, der Wissenschaft und Künste wie kaum ein anderer Mann der Kirche. Fast ein Jahrhundert lebte er auf dieser Erde und Jahrhunderte werden durch ihn leben.
Wenn ich aus der hohen Corona hier namentlich noch eine Begrüßung vornehme, so ist dies Weihbischof Dr. Helmut Krätzl. Er ist für uns heute als der Jahrzehnte lange Wegbegleiter seiner Eminenz, ja als sein „alter ego“ als Generalvikar, die lebendige Reliquie des Verewigten.
Unser ehrfurchtsvoller Gruß gilt vor allem dem Gründer des Kardinal-König-Kunstfonds, unserem verehrten Herrn Erzbischof Dr. Alois Kothgasser.
In knappen Worten seien Sinn und Zweck dieses Kunstfonds kurz umrissen. Das Thema Kirche und Kunst ist theologisch seit geraumer Zeit verschüttet. Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind vielfältig und schwierig. Die christliche Bildgeschichte ist abgelaufen, nicht nur, dass Inhalte christlicher Ikonographie weithin unbekannt geworden sind, auch Botschaften von Heil und Hilfe sind heute nicht mehr theologisch besetzt. Die Frage nach Inhalten allgemein ist nicht nur bei christlicher Malerei so nicht mehr zu stellen.
Wege in die Zukunft wird es also nur mehr geben, wenn der Autonomieanspruch der Kunst respektiert und beide, Kunst und Religion, auf gleicher Augenhöhe miteinander im Gespräch bleiben. So wenig Religion in einer spezifischen Kultur aufgehen oder gar untergehen darf, so sehr muss sich doch aller Glaube in einem kulturellen Kontext verwirklichen. Das Christentum ist eben chemisch rein nirgendwo zu haben. Längstens seit dem II. Vaticanum ist klar geworden, dass die Zustimmung zur Welt eine Grundbedingung christlichen Lebens ist. Der Christ darf sich nicht das kleinste Nein erlauben, wo er vor einem weltlichen Gut steht. Der Maßstab, der von beiden Seiten her an das Problem anzulegen ist, an Kunst und Kirche also, darf nicht nur das unterscheidend Christliche sondern muss auch stets das unterscheidend Menschliche bleiben. So erhalten Geheimnisse wieder Gestalt. So beginnt man wieder die These von Martin Buber zu begreifen, der sagt, auf eine anthropologische Erfassung der Kunst dürfen wir nur hoffen, wenn wir der Abhängigkeit des Menschen vom Seienden Rechnung tragen.
Es fehlt in der gegenwärtigen Kunstszene durchaus nicht an solchen Zeichen der Abhängigkeit vom Seienden, an Spuren des Transzendenten, an spirituellen Horizonten. Die Jury war einhellig der Meinung, dass im Werk des ausgezeichneten Künstlers Hans Schabus solche Spuren durchaus sichtbar werden. Aus berufenerem Munde werden wir deshalb die Begründung dieser Preisverleihung erfahren.
Das Kuratorium hat schmerzend zur Kenntnis genommen, dass der Ausgezeichnete, der aus beruflichen Gründen in Los Angeles weilt, die Reise heute hierher nicht antreten konnte. Wir mussten dies respektieren und werden seine Botschaft, auf Video aufgezeichnet, am Schluss vernehmen.
Ich freue mich sehr über die Einladung, anlässlich der Verleihung des ersten, von der Erzdiözese Salzburg initiierte Kardinal-König-Kunstpreises an Hans Schabus die Laudatio halten zu dürfen. Dies ist für mich eine besonders große Ehre. Lassen Sie mich vorweg auch von meiner Seite aus sagen, wie außerordentlich bedeutsam in der heutigen - in einer durch Sparzwänge charakterisierten - Zeit Preise für die Förderung gerade der zeitgenössischen Kunst geworden sind, stellen sie doch neben Stipendien eine wesentliche Möglichkeit zur freien künstlerischen Arbeit und Entwicklung dar. Ich bin sicher, dass der Kardinal-König-Kunstpreis ab jetzt zu den renommiertesten Preisen gehören wird, erinnert er doch zum einen an den so überaus geachteten und der Kunst zugeneigten hoch verehrten Kardinal König, und ist er zum anderen mit 10.000,-- Euro sehr großzügig dotiert.
Mit dem Preis wird heute ein Künstler ausgezeichnet, dessen sorgfältiges und konzentriertes Arbeiten sowie dessen steter Forschergeist und analytischer Intellekt persönlich und künstlerisch eine besondere Qualität darstellen. Vielen Anwesenden dürften die Arbeiten von Hans Schabus vertraut sein, hatte der Künstler doch mit seinem Beitrag „Western“ 2002 für die Manifesta 4 – Europäische Biennale zeitgenössischer Kunst in Frankfurt, sowie mit seinen Einzelausstellungen „Astronaut (komme gleich)“ 2003 in der Secession in Wien und „Das Rendezvousproblem“ 2004 im Kunsthaus Bregenz für Aufsehen nicht allein in der Fachwelt gesorgt. Mit seiner gleichermaßen intelligenten wie spektakulären Arbeit „Das letzte Land“ vertritt er in diesem Jahr Österreich auf der immer noch weltweit einflussreichste Biennale in Venedig, und mit dieser Arbeit hatte sich Hans Schabus dann auch überzeugend und erfolgreich für den Kardinal-König-Kunstpreis beworben.
Hans Schabus wurde 1970 in Watschig, Kärnten geboren; nach einer Ausbildung zum Tischler studierte er in Wien an der Akademie der bildenden Künste unter anderem bei dem bedeutenden Bildhauer Bruno Gironcoli. Sein Oeuvre umfasst Filme und vor allem temporäre und ortsbezogene Rauminstallationen, die er mit Zeichnungen, Fotografien, Texten und gefundenen Dokumenten vorbereitet oder ergänzt. Sein künstlerisches Vorgehen dabei ist streng analytisch, wenn er die spezifischen Orte auf ihre geographischen und historischen Dimensionen untersucht und durch skulpturale Transformationen in eine neue, wenn auch immanent originäre Wahrheit überführt.
Es sind die immer wiederkehrenden Motive oder auch Konstanten, die das Werk von Hans Schabus auszeichnen und unverwechselbar machen: der leere Raum, das Erleben von Raum durch Bewegung, das Erkunden, Beschreiten oder auch Bahnen eines Weges. Passagen, Tunnel und Gehäuse dienen ihm dabei als künstlerisches Material wie als Sinnbild einer physischen wie psychischen Durchgangssituation gleichermaßen. Dabei geht es um das Unbekannte und Unerfahrene, um einen veränderten Zustand: der Raum definiert sich in einem ungeahnten Verhältnis zur persönlichen Erfahrung des Menschen.
„Skulptur ist für mich Organisation von Material im Raum“. Mit diesem Satz beschreibt Hans Schabus selbst sein künstlerisches Vorgehen. Für seine Arbeit „Astronaut (komme gleich)“ in der Wiener Secession hatte Hans Schabus in seinem Wiener Atelier ein etwa fünf Meter tiefes Loch gegraben und den Aushub im Atelier aufgeschichtet. Damit sollte ein Tunnel gegraben werden, der – virtuell – in das Kanalisationssystem mündete und via U-Bahnschächte zum unterkellerten Gebäude der Secession führte. Hier wurden die Besucher über das Kellergeschoss, Heizräume und Werkstatt nach oben in die Ausstellung geführt und landeten direkt in einem – allerdings leeren – maßstäblichen Nachbau des Ateliers von Hans Schabus. Die Haupttüren zum Ausstellungsraum selbst waren vermauert, sodass dieser Raum nur durch seine unterirdische Parallelwelt zu betreten war.
Ebenfalls blieb der Haupteingang des Kunsthauses Bregenz versperrt. Der Besucher musste das Haus über einen Holzsteg betreten. Die gesamte Bodenfläche des Erdgeschosses war mit Teichfolie ausgelegt und an den Wänden mit Sandsäcken gesichert. Wasserpfützen, Feuerwehrschläuche und Pumpen erinnerten an den Zustand des Hauses im Hochwasserjahr 1999, als das Kunsthaus vom Wasser des Bodensees umflutet war. Bei seinen Recherchen hatte Hans Schabus entdeckt, dass der Tag der Ausstellungseröffnung exakt auf das Datum eines historischen „Rendezvousproblems“ – so dann auch der Titel der Bregenzer Ausstellung - fiel, nämlich des Arlbergtunnel-Durchbruchs vor 121 Jahren, als die geografische Scheidewand zwischen Vorarlberg und Rest-Österreich durchbrochen wurde.
Zufälligerweise lag die gedachte Verlängerung der Arlbergtunnel-Zugstrecke auch genau im rechten Winkel zum Kunsthaus. Alle Vorbereitungen zu seinem großen Vorhaben waren damit nach Ansicht des Künstlers eigentlich schon getroffen. Hatte Hans Schabus für diese beiden Projekte die Identität der Innenräume und deren Zugänge verändert, so bildet seine jüngste Arbeit „Das letzte Land“ für die Biennale Venedig eine inhaltliche Fortführung. Hans Schabus hat hierfür eine monumentale Bergskulptur über den Pavillon von Josef Hoffmann gestülpt. Auch hier wird das Innere des künstlichen Bergmassivs nur über den Hintereingang zugänglich, der Gipfel selbst durch labyrinthische Treppen von innen erreicht. - Auf diese Arbeit wird im Folgenden Vitus Weh ausführlich eingehen. Die genannten drei Beispiele verweisen auf das Interesse des Künstlers an Geographie, Naturwissenschaft und Technik in Bezug auf den Menschen. Kultur und Natur durchdringen sich in einer gleichsam romantischen Suche nach einer universalen Ganzheit. So verbinden sich Gegensätze zu einer künstlerischen Notwendigkeit, Reales und Surreales bedingen sich gegenseitig. Aber immer ist der Kontext und die psychische Bedeutung des jeweiligen Ortes für Hans Schabus entscheidend. Er hat sich eine ganz eigene künstlerische Haltung erworben, die den Entstehungsprozess gleichwertig mit dem ephemeren Endprodukt erscheinen lässt und das Prozessuale gegenüber der statischen Repräsentanz eines Werkes bevorzugt.
So sagt Hans Schabus (Zitat):„Ich denke, das hat mit dem Durchbrechenwollen von Grenzen zu tun. Raum schaffen und zerstören, Raum entdecken und hinter sich lassen. Raum denken und überdenken. Bewegen oder bewegt werden.“ (Zitatende)
Erzählen neuer abgeleiteter Zusammenhänge, die hierdurch auch durchaus real erscheinende Umkehrung von Innen- und Außenraum, von Unterwelt und Oberwelt, von Zugängen durch den Untergrund oder der Rückseite, von labyrinthischen Wegen durch Räume, die Bezugsetzung der Menschen zu Raum und Zeit, sowie ihre intensive Erfahrung veränderter Wirklichkeiten und Atmosphären – sie alle lassen neue Räume mit neuen Inhalten entstehen. Es ist die Leistung von Hans Schabus, für dieses Reich des Phantastischen eine visuelle Sprache gefunden zu haben.
Ich freue mich daher außerordentlich, dass Hans Schabus heute mit dem Kardinal König Kunstpreis ausgezeichnet wird. Mit ihm wird ein schon jetzt sehr verdienter junger Künstler mit einem hohen Entwicklungspotential gewürdigt.
Vor Wochen bin ich eingeladen worden, bei der ersten Verleihung des neu gegründeten „Kardinal-König-Kunstpreises“ zugegen zu sein und eventuell eine „Grußbotschaft“ zu sprechen. Eine erste Anfrage kam von Herrn Prälat Neuhardt und meine spontane Zusage war unvermeidlich. Es kam eine förmliche Einladung von Herrn Erzbischof Kothgasser, einem gebürtigen Steirer, und es gab kein Auskommen mehr…..
Nun dämmerte mir, dass meine spontane Zusage für eine Grußbotschaft keinerlei Überlegung zugrunde lag. Wer sollte denn begrüßt werden? Und warum von mir, der ich doch keinerlei „pater domus“ Funktion habe. Allerhöchstens ein zweites „Wohnrecht“ auf dem Platz vor dem Dom. Dieses reicht gerade mal aus, um die Jedermann Tischgesellschaft zu begrüßen. Der Preisträger stand auch noch nicht fest. Mit seiner Wahl wäre allerdings ein Grund für eine freudige Begrüßung nachgeliefert! Aber wie gesagt, es gibt Kompetenzprobleme.
So habe ich mich entschlossen, in meiner Eigenschaft als Künslter und am Kunstleben interessierter und teilnehmender Mensch, den neuen Preis selbst zu begrüßen, als einen erfreulichen Vorstoß der Kirche ihr traditionelles Verhältnis, das auch in der „Stunde null“ der Salzburger Festspiele von Bedeutung war. Als „Pate“ stand damals Fürsterzbischof Rieder an der Wiege des „Wunderkindes“ –Salzburger Festspiele. Möge dem „Kardinal-König-Kunstpreis“ eine ähnliche Karriere beschieden sein! Der Namensgeber und Taufpate gibt zu den kühnsten Hoffnungen Anlass. Er soll den Verwaltern der Stiftung Segen und Auftrag sein!
So lassen Sie mich den „Kardinal-König-Preis“ mit allen guten Wünschen begrüßen, die man einem Neugeborenen in die Wiege legt: Vornehmlich ein langes Leben, Mut und Redlichkeit!
„…………Raum ist immer angereichert mit Geschichte, mit Mentalität und psychischem Empfinden. Früher waren es vornehmlich die Gebäude der Kirche, die diesem Phänomen Kontinuität gaben. Heute sind es mehr die Museen, und die Kunst in denen die Menschen solche Form gewordene Sinnzusammenhänge suchen.
Da sich Hans Schabus in ganz besonders intensiver Weise mit dieser Art Raum beschäftigt, ist die Preisverleihung an ihn ein überzeugendes Bekenntnis der römisch katholischen Kirche, sich mit diesen kulturellen Verschiebungen auseinanderzusetzen.
Sein Werk „Das letzte Land“ ist ja gerade ein Österreich – italienisches Mentalitätsbergwerk.“
In seiner beeindruckenden Eröffnungsrede zu den Osterwochen am 9. April 1998 sagte Franz Kardinal König über die unlösbare Verbindung von Kunst und Religion: "Die Welt des Menschen ist eine säkularisierte geworden. Die Kritik an Christentum und Religion im Allgemeinen führte in der Folge zu einem gespannten Verhältnis des Misstrauens. Das hatte seine Auswirkung auch auf den Bereich der Kunst und das damit verbundene Menschenbild. Es gelte, so hieß es, die Wahrheit und Tiefe der menschlichen Natur und der Welt auszuloten, auch in einem Jahrhundert und in unserem Kontinent, der die Wirklichkeit des Bösen bis an die äußersten Grenzen erfahren musste. Solche Gedanken werden aber nicht nur von der Religion in die Kunst hineingetragen, sondern die heilende und helfende, die deutende und reinigende Kraft der Kunst selber soll ein Versuch sein, Sinn im Leid und Hoffnung im Bösen zu sehen. Gerade solche Gedanken dürfen in der gegenwärtigen Kunst um ihrer selbst willen, aber auch um des Menschen willen nicht verloren gehen. Deshalb ist die Verbindung von Kunst und Religion eine Macht, die nach oben weist für Glaubende und Nicht-Glaubende."
Wenn wir uns heute am 100. Geburtstag unseres großen Erzbischofs von Wien dieser Worte erinnern, so tun wir es in einer doppelten Absicht: zum einen in Dankbarkeit der Wege zu gedenken, die er geöffnet hat im Dialog zwischen Kirche und Welt, und zum anderen mit der heutigen Preisverleihung selbst einen Meilenstein auf diesem Weg setzen zu dürfen. Denn nichts anderes wollten wir: ein wenig bewusst zu machen und mitzuhelfen, den heutigen Menschen mit seiner Wahrheit zu erkennen.
Allen, die sich Mühe gegeben haben, diesen heutigen Tag vorzubereiten, sei herzlich gedankt: dem Kuratorium, den Mitgliedern der Jury, aber vor allem unserer umsichtigen Geschäftsführerin Frau Dr. Antonia Gobiet, der in herausragender Weise der Löwenanteil in dieser Stunde zukommt. Gewiss ist es ein Wermutstropfen, dass der Preisträger aus beruflichen Gründen heute nicht zugegen sein kann, aber wir werden in Kürze auf medialem Wege seine Dankesworte vernehmen. So darf ich denn stellvertretend für den Ausgezeichneten den ersten Preis des Kardinal-König-Kunstfonds Frau Mag. Luise Reitstätter von der engholm engelhorn Galerie überreichen.